Die Anfänge der Hubschraubersimulation reichen zurück in das Jahr 1985
Die Anfänge der Hubschraubersimulation reichen zurück in das Jahr 1985, als der heutige Institutsleiter Prof. Dr.-Ing. Ewald Krämer beim vorherigen Institutsleiter Prof. Dr.-Ing. Siegfried Wagner - damals noch an der Universität der Bundeswehr in München - mit seiner Promotion zum Thema "Theoretische Untersuchungen der stationären Rotorblattumströmung mit Hilfe eines Euler-Verfahrens" begann. Prof. Wagner übernahm das IAG im Jahre 1991 und brachte aus München einige seiner aktuellen Doktoranden mit, unter anderem Roland Stangl, dessen Dissertation "Ein Euler-Verfahren zur Strömungsberechnung am Hubschrauber" betitelt wurde.
Die folgenden Arbeiten begannen mit der Einbeziehung der Strömungs-Struktur-Kopplung, die wegen des engen Zusammenhangs zwischen strömungsmechanischen Kräften und mechanischer Verformung, die wiederum die Aerodynamik verändert, unbedingt erforderlich ist. [Hierholz, Buchtala]. Auf schnellere Ergebnisse durch eine analytische Behandlung der Nachlaufgeometrie hoffte Lorenz Zerle ("Aerodynamische und aeroakustische Rotorberechnung unter Anwendung frei entwickelter Nachlaufwirbelschichten und retardierter Potentiale"), vor allem aber auch auf eine detaillierte Wiedergabe der Blatt-Wirbel-Interaktionen, die für die Akustik - vor allem im Landeanflug - von entscheidender Bedeutung sind.
In der Folge wurde der IAG-eigene hubschrauberspezifische Strömungslöser INROT noch um ein algebraisches (Hubert Pomin) und ein Eingleichungs-Turbulenzmodell (Björn Landmann) erweitert, bevor die Entwicklung hier eingestellt und vollständig auf den strukturierten Strömungslöser FLOWer des DLR umgestellt wurde, der ab da mit INROT rechentechnisch und in der Effizienz gleichgezogen war. Parallel wurde das strukturmechanische Balkenmodell DYNROT von Andree Altmikus noch auf nichtlineare Verformungen erweitert, bevor auch an dieser Stelle das Flugmechanik-Tool HOST von Eurocopter eingesetzt wurde. Altmikus veränderte auch erstmals die kollektiven und zyklischen Steuerwinkel am Rotor, um auf gegebene Kräfte und Momente zu kommen, so dass Windkanalmessungen auch wirklich vergleichbar wurden. Gleichzeitig baute Andreas Fischer ein konventionelles Hubschraubermodell auf und stattete es mit sehr ambitionierter Messtechnik aus, so dass Validierungsmessungen für die Simulation in begrenztem Umfang auch selbst durchgeführt werden konnten. Mit dem Weggang von Fischer (und seinem sehr kompetenten Elektronik-HiWi) mussten diese experimentellen Aktivitäten zunächst leider eingestellt werden.
Die Lärmentwicklung der Helis - ein drängendes Problem
Da die Lärmentwicklung ein drängendes Problem bei Hubschraubern darstellt, wurde der Werkzeugkasten von Manuel Keßler unter tatkräftiger Mitwirkung von Christian Lübon um eine Möglichkeit zur akustischen Auswertung von CFD-Simulationen erweitert. Mit Hilfe der akustischen Analogie nach Ffowcs Williams und Hawkings kann so bei entsprechender Qualität der Rechnung die Ausbreitung des entstandenen Schalls bis zum Beobachter im Fernfeld gut wiedergegeben werden.
Wurst setzte mit der Implementierung von deformierbaren Gittern und der Chimera-Technologie weitere Eckpfeiler
Die Einstellung von INROT zugunsten von FLOWer hinterließ eine Lücke beim Kernstück der Simulation, dem CFD-Löser. Mit der Zielrichtung, auch in Zukunft Spitzentechnologie auf der Simulationsseite am Hubschrauber im Einsatz zu haben, wurden deshalb von Keßler zusammen mit Landmann die Arbeiten an einem Discontinous Galerkin Verfahren begonnen und im Anschluss mit Lübon fortgesetzt, mit dem langfristig eine Wachablösung der etablierten Finite Volumen Verfahren zweiter Ordnung stattfinden soll. Wurst hat mit der Implementierung von deformierbaren Gittern und der Chimera-Technologie weitere Eckpfeiler dafür gesetzt, die von Genuit nunmehr ausgefüllt werden.
Das zunehmende industrielle Interesse an gegenläufigen Propfans veranlasste uns dazu, die aus der Hubschrauberei bewährte Simulationstechnologie auch auf diesem Gebiet einzusetzen.
Obwohl hier im Vergleich zu herkömmlichen Turbofans deutliche Effizienzgewinne winken, könnte die Lärmentwicklung auch für diese Open Rotoren oder CROR ein echtes K.o.-Kriterium darstellen, so dass auch hier ein Schwerpunkt der Arbeiten auf der Lärmsimulation und vor allem auch -reduktion liegt.
Hubschrauberseitig finden aktuell Forschungsarbeiten zu den Themen Tail Shake, Gesamthubschraubertrimm im freien Flug sowie Optimierungen der Rotorblätter statt. Des weiteren wird wieder der Einsatz von Servoklappen an den Blatthinterkanten zur Leistungssteigerung im Vorwärtsflug untersucht. Darüber hinaus wurde der Messheli wieder aktiviert und wird momentan mit neuer Messtechnik ausgerüstet, um unterstützend neue Validierungsdaten bereitstellen zu können, insbesondere auch im Flug im Bodeneffekt. In einem großen EU-Projekt wird darüber hinaus in Zusammenarbeit mit Airbus Helicopters ein Compound-Hubschrauber detailliert aerodynamisch, akustisch und flugmechanisch untersucht, der 2019 seinen Erstflug haben wird.
Zukünftige Arbeiten werden wohl die zeitechte starke Kopplung zwischen Aerodynamik und Struktur wieder aufnehmen, um anschließend echte 6 DOF Manöversimulationen in Angriff nehmen zu können.
Hierfür dienen dann auch die Messflüge mit dem Modellheli, beispielsweise im Landeanflug. Ferner werden die DG-Aktivitäten zügig vorangetrieben, und auf dem Gebiet der CROR wären mittelfristig Messungen - notfalls im IAG-eigenen mittleren Windkanal - sehr wertvoll zur Validierung der Simulationen.
PD Dr. rer. nat. Manuel Keßler
Manuel Keßler
PD Dr. rer. nat.Akademischer Oberrat / Leiter Hubschrauber und Aeroakustik